In Zeiten des Brexit und des Erfolges eines Donald Trump hört man überall die Forderung, die Parteien müssten wieder mehr auf die Bürgerinnen und Bürger zugehen. Die Sorgen und Nöte des einfachen Mannes, der einfachen Frau brauchen einen Adressaten. Aber wie schafft man sinnvolle Begegnungen von Parteienpolitikern und Wahlvolk?
Eine Idee ist der Tür-zu-Tür-Wahlkampf. Vor einigen Jahren hatte diese Idee die SPD und ließ die Spitzenkandidaten an die Türen der Wähler klopfen, um diesen Infomaterial in die Hände zu geben, sich kurz vorzustellen oder ggf. auf eine Tasse Kaffee einzukehren. Grundsätzlich stellt sich die Frage, wann hierzu die beste Zeit ist, denn die meisten Leute arbeiten tagsüber. Ob sie dann am Abend noch Lust haben, wenn Fremde an der Tür klopfen, über Politik zu reden? Ich zweifle daran. Vom Ergebnis dieser Idee hat man danach nie wieder was gehört. Ein Wahlkampfstratege des Willy-Brandt-Hauses gab dann bei einer Veranstaltung etwas kleinlaut zu, dass dieser Tür-zu-Tür-Wahlkampf nicht besonders erfolgreich war und wohl nicht wiederholt wird. Vielleicht eignet sich diese Idee aber auch nur bei Kommunalwahlkämpfen, weil sowohl Themen als auch die Anzahl der Bürgerinnen und Bürger überschaubar sind.
Nächste Idee: Der klassische Infostand am Samstag nachmittag in der Innenstadt. Die Erfahrung zeigt, dass neben Parteien auch NGOs, Mobilfunkfirmen und Stromanbieter um die Gunst der Menschen kämpfen. Von rechts, von links, von vorne – ein Infoblatt und ein Gesprächsangebot. Viele Flyer landen dann um die nächste Ecke im Papierkorb. Wenn Gespräche mit den anwesenden Parteimitgliedern geführt werden, laufen diese gerne irgendwann in die Sinnlosigkeit. Denn wer Zeit hat, hat oft auch ein Problem. Z. B. mit den Bilderbergern, den Amerikanern, der Lobby oder mit Windrädern. Auch hier bezweifle ich den Erfolg der Idee.
Vielleicht Bürgersprechstunden? Wenn diese von einem Politiker angeboten werden, der nicht allzu bekannt ist, dann besteht die Gefahr, dass nur gute Bekannte oder Parteifreunde zur Sprechstunde kommen. Vielleicht bringen die noch ein paar Freunde mit. Die freuen sich zwar dann, wenn sie mal einem Politiker die Hand schütteln können, aber da diese Menschen schon vorher wahrscheinlich dem Politiker und seiner Partei wohlgesonnen sind, gewinnt man keine Zweifler und keine neuen Anhänger dazu.
Town-hall-Meetings? Wie der Name schon sagt, ein Konstrukt, das von den Amerikanern abgeschaut ist und hierzulande irgendwie keiner versteht. Zu diesen Dings-Meetings kommen gerne berühmte Politiker wie die Kanzlerin. Da ist dann ein Moderator, der der Kanzlerin Fragen stellt und dann dürfen noch diverse Bürgerinnen und Bürger ihre Anliegen vortragen. Ein geeigneter Weg zu mehr Bürgernähe? Nun, richtig nahe kommt man der Kanzlerin da nicht, die Fragen und vermutlich auch die Bürger werden vorher ausgesucht und es weht kein Lüftchen „Authentizität“ umher, denn das könnte den Nimbus des auf-alle-Fragen-eine-Antwort-findenden-Politikers ja untergraben. Ein bekanntes Beispiel ist die Begegnung der Kanzlerin im vergangenen Jahr mit der Schülerin aus Palästina. Da ihr die Kanzlerin keinen Daueraufenthalt versprechen konnte, wurde der Regierungschefin danach mangelnde Herzenswärme vorgeworfen. Ein PR-Gau!
Auch wenn vielleicht noch viel Spielraum in der Begegnung von Politikerinnen und Politikern mit Bürgerinnen und Bügern ist, folgende Vorschläge wären mal ein Anfang: Wahlprogramme sollten verständlicher geschrieben sein und das Thema soziale Gerechtigkeit muss ganz oben auf die politische Tagesordnung. Und auch Politiker sollten zugeben, dass sie nicht auf alles eine Antwort wissen. Denn die Welt ist komplexer geworden und nur Populisten wissen einfache Antworten auf komplexe Fragen.