Kinderrechte ins Grundgesetz

Jeden Tag werden in Deutschland durchschnittlich 11 Kinder krankenhausreif geprügelt – meistens von ihren Vätern, Müttern, Stiefvätern oder Stiefmüttern. Obwohl im Jahr 2000 der §1631(2) des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) dahingehend geändert wurde, dass Kinder „das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung“ haben, gibt es noch viel zu tun. Zum Beispiel Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern.

Seit dem Jahr 1989 gibt es die sog. Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen. In Artikel 3 (1) heißt es beispielsweise: „Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.“ Der zugehörige UN-Fachausschuss für Kinderrechte hat allerdings gegenüber Deutschland, in dem diese Konvention 1992 in Kraft getreten ist, kürzlich angemahnt, den Kinderrechten noch mehr politisches Gewicht zu verleihen. Ein Beispiel für die mangelnde Umsetzung der Kinderrechte ist z. B. die nicht-konsequente Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland. Aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar ist die Tatsache, dass Kindergeld in Hartz-IV-Familien auf den Hartz-IV-Satz angerechnet wird, obwohl Kindergeld – wie der Name schon sagt – den Kindern zugute kommen soll. Viele Forschungen weisen daraufhin, dass es arme Kinder auch später schwerer haben als Kinder aus gesicherten finanziellen Verhältnissen. Durch die belastenden Verhältnisse zuhause bringen Mädchen und Jungen aus Hartz-IV-Familien oft schlechtere Noten nach Hause, das hat später Folgen bei der Wahl der Ausbildung. Der negative Stress verschlechtert zudem die Konzentrationsfähigkeit von Kindern, behindert den Aufbau von Nervenverbindungen und schädigt das Immunsystem. In Deutschland ist jedes siebte Kind von Hartz IV abhängig.

Was könnte getan werden, um den Rechten von Kindern mehr politisches Gewicht zu verleihen? Eine Idee ist, Kinderrechte im deutschen Grundgesetz zu verankern. Während die Rechte von Familien, Eheleuten und Müttern in Art. 6 nachzulesen sind, fehlen Hinweise auf die Rechte von Kindern völlig. Die Initiative Kinderrechte-ins-Grundgesetz.de schlägt als Text vor:
(1)  Jedes Kind hat das Recht auf Förderung seiner körperlichen und geistigen Fähigkeiten zur bestmöglichen Entfaltung seiner Persönlichkeit.

(2)  Die staatliche Gemeinschaft achtet, schützt und fördert die Rechte des Kindes. Sie unterstützt die Eltern bei ihrem Erziehungsauftrag.

(3)  Jedes Kind hat das Recht auf Beteiligung in Angelegenheiten, die es betreffen. Seine Meinung ist entsprechend seinem Alter und seiner Entwicklung in angemessener Weise zu berücksichtigen.

(4)  Dem Kindeswohl kommt bei allem staatlichen Handeln, das die Rechte und Interessen von Kindern berührt, vorrangige Bedeutung zu.

Die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern wurde schon mehrfach politisch aufgegriffen, leider aber immer wieder von CDU/CSU torpediert. Die Konservativen sprechen sich für das Prinzip Elternrechte vor Kinderrechten aus und zementieren damit ein althergebrachtes Familienbild. Sie verneinen auch völlig, dass Kinder eigenständige Persönlichkeiten sind.

Eine weitere Möglichkeit ist die Schaffung eines Bundesministeriums für Kinder. Dieses ist z. B. dafür zuständig, Gesetzesvorschläge zu erarbeiten, die das Wohl der Kinder fördern, und außerdem darauf zu achten, dass alle neu geschaffenen Gesetze dem Kindeswohl nicht widersprechen. Bisher sind die Belange von Kindern im Ministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend untergebracht. Ein eigenes Ministerium für die Anliegen von Kindern wäre ein starkes Signal der Politik, die Lage von Jungen und Mädchen in unserem Land zu verbessern und damit das Ziel der Chancengleichheit konsequent zu verfolgen.

Eine weitere – aus meiner Sicht sehr charmante – Idee ist die Möglichkeit für biologische Eltern, bei der Geburt eines Kindes oder auch später soziale Eltern zu benennen. In Kanada ist diese Praxis schon möglich. Die sozialen Eltern (übrigens unabhängig vom Geschlecht) haben ähnliche Rechte wie die biologischen, stehen allerdings finanziell nicht in der Pflicht. Ziel ist es, z. B. homosexuellen Eltern Rechte einzuräumen oder Eltern in Patchwork- oder Scheidungsfamilien. Auch im Fall des frühzeitigen Todes der biologischen Eltern träten die sozialen Eltern an deren Stelle. Ich mag diesen Vorschlag deshalb, weil ich es gut finde, die große Verantwortung für Kinder auf mehrere Schultern zu verteilen. Auch kann es gerade in Krisensituationen für Kinder sehr sinnvoll sein, wenn ihnen noch andere Erwachsene zur Seite stehen. Nicht zuletzt ermöglicht die Form der sozialen Elternschaft auch Männern und Frauen, die selbst keinen biologischen Nachwuchs haben, sich als Väter und Mütter zu betätigen.

Grundgesetz und Souveränität

Ist Deutschland ein souveräner Staat? Ist das Grundgesetz eine Verfassung? Beide Fragen möchte ich im Folgenden beantworten, denn ich habe zunehmend den Eindruck, dass immer mehr Menschen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Grundgesetzes und der Eigenständigkeit Deutschlands haben.

Zur Souveränität Deutschlands:
Zweifler an der Souveränität Deutschlands behaupten gerne, dass unser Land immer noch unter der Herrschaft der Alliierten des zweiten Weltkrieges stehen würde, was man schon daran ableiten könne, dass es keinen Friedensvertrag gibt. Aber: Spätestens seit dem Abschluss der Zwei-plus-Vier-Verträge genießt Deutschland die volle Souveränität. Die Zwei (Bundesrepublik Deutschland, Deutsche Demokratische Republik) plus Vier (USA, Großbritannien, Sowjetunion, Frankreich) – Verträge wurden 1990 im Rahmen der deutsch-deutschen Wiedervereinigung abgeschlossen und traten 1991 in Kraft. Hier wird u. a. die volle Souveränität Deutschlands festgehalten. (Art 7 (2) „Das vereinte Deutschland hat demgemäß volle Souveränität über seine inneren und äußeren Angelegenheiten.“)

Wenn man einmal gedanklich durchspielt, was wäre, wenn Deutschland wirklich nicht souverän wäre, dann müssten alle Verträge, ob international oder bilateral, rechtlich hinfällig sein, denn ein nicht-souveräner Staat kann keine rechtlich verbindlichen Verträge abschließen. Das würde z. B. auch bedeuten, dass Abgeordnete für diverse Parlamente (Europaparlament, Bundestag, etc. ) nicht rechtmäßig gewählt worden wären, denn ein nicht-souveräner Staat kann weder rechtmäßige Wahlen abhalten noch haben Parlamente Befugnisse. Wenn wir noch weiter denken, hieße das, dass unsere Rechtsstaatlichkeit nicht gewährleistet wäre, weil es keinen souveränen Staat gäbe.

Zum Grundgesetz:
Das Grundgesetz heißt in Deutschland nicht – wie in anderen Staaten üblich – Verfassung. Es hat aber dieselbe Funktion wie eine Verfassung, der Name ist nicht entscheidend. Kritiker werfen ein, dass dieses Grundgesetz nicht – wie es in Art 146 steht – vom deutschen Volk abgestimmt wurde. Das Grundgesetz wurde historisch allerdings vom parlamentarischen Rat (Ministerpräsidenten der Länder) und von den westdeutschen Landtagen (außer Bayern) 1949 abgestimmt. Die Abgeordneten der Landtage waren demokratisch gewählt. In einer parlamentarischen Demokratie ist es üblich, dass die Abgeordneten über wichtige Sachverhalte abstimmen und nicht das gesamte Volk. Zudem gibt es auf Bundesebene bislang nicht das Instrument der Volksabstimmungen.

Es ist richtig, dass das Grundgesetz bei seiner Einführung einen „Vorläufigkeitscharakter“ hatte. Aufgrund der deutsch-deutschen Teilung sollte der Eindruck vermieden werden, man würde sich nun mit den Verhältnissen in Westdeutschland arrangieren und kein Interesse mehr an einer Wiedervereinigung haben. Das Grundgesetz gilt als Verfassung, schon alleine deshalb, weil es das widerspiegelt, was in der Rechtskunde mit dem Begriff der „normativen Kraft des Faktischen“ bezeichnet wird. Das bedeutet: Durch eine tatsächliche Entwicklung wird ein Zustand geschaffen, den die Rechtsordnung anerkennt. Ein klassisches Beispiel hierfür ist ein Grundstücksbesitzer, der jahrelang nichts dagegen hat, wenn Leute über sein Grundstück laufen, weil der Weg z. B. eine Abkürzung darstellt. Wenn dieser Besitzer dann irgendwann sagt, dass er das nicht mehr möchte, wird es schwierig, sein Recht durchzusetzen – weil die „normative Kraft des Faktischen“ schon lange quasi Fakten geschaffen hat, die jetzt einfach nicht mehr zu ändern sind. Auf das Grundgesetz gemünzt heißt das: Wenn eine Regelung in der Praxis von den Bürgerinnen und Bürgern und allen staatlichen Institutionen angenommen wird – und das über mehr als 65 Jahre hinweg – kann man von der Rechtmäßigkeit ausgehen. Da braucht man nicht noch extra eine Volksabstimmung, damit das Grundgesetz „in Kraft tritt“.

Kann die Todesstrafe wieder eingeführt werden?

Ein Erklärungsversuch am Beispiel der Staaten Türkei und Deutschland

Türkei
Nach dem Putschversuch des Militärs in der Türkei im Juli diesen Jahres kündigte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan mehrfach öffentlich an, über die Wieder-Einführung der Todesstrafe nachzudenken. Verständlicherweise stieß er damit international auf große Ablehnung – nicht nur weil bereits im Jahr 1984 die letzte Hinrichtung in der Türkei stattgefunden und die AKP, die Partei des Staatschefs, die Todesstrafe erst 2002 offiziell abgeschafft hatte.

Ich möchte nun kurz die Frage beantworten, ob es rechtlich möglich ist, die Todesstrafe in der Türkei wieder einzuführen und welche Konsequenzen dieser Schritt hätte. Zunächst einmal ist es mit einer Mehrheit im Parlament und im Zuge der aufgeheizten Stimmung in der Türkei durchaus möglich, die Todesstrafe wieder im Gesetz zu verankern. Allerdings würde das Land so sämtliche internationalen Verträge, die die Abschaffung der Todesstrafe beinhalten, brechen.

Im Einzelnen: 1. Das Zweite Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte der Vereinten Nationen[1]; 2. Das Protokoll Nr. 6 zur Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (kurz: Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK)[2]; 3. Seit 2003: Protokoll Nr. 13 zur EMRK[3].

Insbesondere die beiden letzten Protokolle sind Bedingungen für eine Aufnahme bzw. Beitrittsverhandlungen in die Europäische Union (EU) und die Mitgliedschaft im Europarat (dieser ist zwar nicht Teil der EU, ist aber ein Forum zur Debatte von allgemeinen politischen Fragen, insbesondere von sozialer und wirtschaftlicher Bedeutung – die Türkei ist seit 1949 Mitglied).

Sollte sich das türkische Parlament also entschließen, die Todesstrafe wieder einzuführen, bedeutet dieser Schritt ein Ende der Beitrittsverhandlungen zur EU, ein Ende der Mitgliedschaft im Europarat und hoffentlich einen Aufschrei in der Zivilgesellschaft zum Bruch internationaler Verträge.

 

Deutschland
Im vergangenen Jahr ergab eine Umfrage unter Jurastudentinnen und –studenten, dass rund ein Drittel von ihnen die Wieder-Einführung der Todesstrafe in Deutschland befürwortet. Es stellt sich nun die Frage, ob es tatsächlich möglich ist, diese Art der Strafe wieder im Gesetz zu verankern.

Um zu einer Antwort zu kommen, sollte man sich folgende Artikel im deutschen Grundgesetz näher ansehen: Art. 1 (Die Würde des Menschen ist unantastbar.); Art. 79 (3) (Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch (…) die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.); Art. 102 (Die Todesstrafe ist abgeschafft)

Unter Juristen gilt mehrheitlich die Meinung, dass Artikel 1 des Grundgesetzes der Streichung von Artikel 102 widerspricht. Das bedeutet, die Würde des Menschen wäre durch die Wieder-Einführung der Todesstrafe so beeinträchtigt, dass eine Wieder-Einführung der Todesstrafe nicht möglich wäre, ohne das Grundgesetz zu brechen. Artikel 1 (ebenso wie Artikel 20) sind Teil der in Artikel 79 hinterlegten „Ewigkeitsklausel“, d. h. sie dürfen niemals verändert werden.

Abgesehen davon hätte eine Verankerung der Todesstrafe im deutschen Gesetzbuch ähnliche Konsequenzen wie im obigen Fall in der Türkei, da auch die Bundesrepublik Deutschland die oben genannten Verträge unterzeichnet hat: Sofortiger Austritt aus der EU und dem Europarat, Bruch internationaler Verträge und ein großer Widerstand aus der Zivilgesellschaft, von Menschenrechtsorganisationen etc.

Der Unterschied zur Türkei ist gegenwärtig allerdings, dass keine der im Bundestag vertretenen Parteien die Wieder-Einführung der Todesstrafe fordert. Und selbst wenn hier plötzlich die Stimmung kippen würde, könnte man dem Bundesverfassungsgericht vertrauen, ein dementsprechendes Gesetz wieder einzukassieren.

[1] Artikel 1
(1) Niemand, der der Hoheitsgewalt eines Vertragsstaats dieses Fakultativprotokolls untersteht, darf hingerichtet werden.
(2) Jeder Vertragsstaat ergreift alle erforderlichen Maßnahmen, um die Todesstrafe in seinem Hoheitsgebiet abzuschaffen.

[2] Art. 2
Recht auf Leben
(1) Das Recht jedes Menschen auf Leben wird gesetzlich geschützt. Niemand darf absichtlich getötet werden, außer durch Vollstreckung eines Todesurteils, das ein Gericht wegen eines Verbrechens verhängt hat, für das die Todesstrafe gesetzlich vorgesehen ist.

[3] Artikel 1 – Abschaffung der Todesstrafe
Die Todesstrafe ist abgeschafft. Niemand darf zu dieser Strafe verurteilt oder hingerichtet werden.